Worauf bei Medienkompetenztrainings achten?
Neben den vielfältigen Potenzialen, die uns der Medieneinsatz in Alltag und Schule bietet, wird der Umgang mit digitalen Medien von vielfältigen Unsicherheiten begleitet, die den Datenschutz ebenso betreffen wie etwa die
Konfrontation mit gefährlichen Inhalten oder negative Auswirkungen von Social Media. Aus Sicht der Schule stellt es deshalb eine besondere Herausforderung dar, Schülerinnen und Schüler zu medienkompetentem Handeln zu befähigen.
In der Metaanalyse von Jeong, Cho und Hwang (2012) wird die Wirksamkeit verschiedener Medienkompetenz-Trainings im schulischen Kontext untersucht. Dabei gelingt es den Autor*innen aufzuzeigen, worauf es ankommt, wenn man als
Lehrerin oder Lehrer im Unterricht ein erfolgreiches Medienkompetenz-Training anbieten will.
Bei einem Medienkompetenz-Training geht es darum, Schülerinnen und Schüler zu einem reflektierten Umgang mit Medien anzuregen, um so eventuell schädlichen Auswirkungen der Mediennutzung
vorzubeugen. Während Medienkompetenz in den KMK-Standards “Wissen, Können, Anwenden, Gestalten sowie Reflektieren, Bewerten, Planen und Handeln” (KMK 3, 2012) umfasst, liegt in der Metaanalyse ein
engeres Verständnis von Medienkompetenz vor. Für Jeong et al. (2012) bedeutet Medienkompetenz vor allem Kritikfähigkeit. Diese Kritikfähigkeit schließt neben dem Wissen über Medien auch ein ausgeprägtes
Bewusstsein für den Einfluss von Medien ein. Darüber hinaus sollen Schülerinnen und Schüler in der Lage sein, den Wahrheitsanspruch von Medien kritisch zu hinterfragen. Trainiert wird Medienkompetenz durch eine
gezielte Auseinandersetzung mit medialen Inhalten. Es geht also nicht um den technischen Umgang mit Medien, sondern um eine reflektierte und kritische Auseinandersetzung mit den transportierten Inhalten.
„Medienkompetenz ist eines der zentralen Themen der heutigen Zeit. Im privaten sowie vermehrt auch im schulischen Bereich nutzen Schülerinnen und Schüler zunehmend Inhalte aus dem Internet und stellen eigene Inhalte bereit. Der Einsatz dieser Medien im
Unterricht birgt Chancen und Gefahren, bei denen Lehrkräfte in vielen Bereichen (etwa sozialen Netzwerken etc.) selbst oftmals über keine oder nur wenig Erfahrungen
verfügen. Allein die rasante Entwicklung von Technologien und Inhalten, sowie die meist unübersichtliche rechtliche Lage unterstreichen die Relevanz von Medienkompetenz-Trainings.
Zudem eröffnen sie die Möglichkeit zum Austausch über Risiken und Chancen und ermöglichen es so, den Überblick zu behalten, der nötig ist, um den SuS durch einen reflektierten Umgang mit Medien als Vorbild dienen
zu können.“
Zitat eines Gymnasiallehrers (Deutsch, Geschichte und Mathematik)
Der Medienkonsum bei Schülerinnen und Schülern steigt kontinuierlich an und beginnt nun früher als noch vor wenigen Jahren (KIM Studie 2018). Durch den für viele einfachen Zugang zu Medien ist auch
der Zugriff auf u.a. gewaltvolle, rassistische und sexuelle Inhalte für alle User und Userinnen nahezu uneingeschränkt möglich. ‘Digital Natives’ sind zwar mit dem technischen Umgang mit digitalen
Medien sehr vertraut, doch eine kritisch-reflektierte Mediennutzung geht damit
nicht automatisch einher (Frost, 2018). Auch Eltern sehen sich oftmals nicht in der Lage, ihre Kinder zu einem entsprechend medienkompetenten Handeln zu befähigen und sehen daher die Bildungseinrichtungen
in der Verantwortung (Frost, 2018). Lehrerinnen und Lehrer stehen daher vor der doppelten Aufgabe, sich einerseits mit ihrer eigenen Mediennutzung kritisch auseinanderzusetzen und andererseits ihren Schülerinnen
und Schüler einen verantwortungsvollen, kritischen und reflektierten Umgang mit Medien und deren Inhalten zu ermöglichen.
Das Review ❯❯
Das Review
„Interventionen zur Medienkompetenz. Ein metaanalytisches Review“ (von: Se-Hoon Jeong, Hyunyi Cho, Yoori Hwang)
In der Metaanalyse wird untersucht, inwiefern und welche Art von Trainings zur Medienkompetenz sich auf das Wissen sowie auf die kritische Beurteilung von Medien auswirken.
In der Metaanalyse wurden 51 Studien untersucht, die vor 2008 mit insgesamt 12.772 Lernenden gemacht wurden. In diesen Studien wurden Lernende, die ein Medienkompetenz-Training absolvierten mit Lernenden
verglichen, die kein Training absolvierten. Untersucht wurde dabei, wie diese Trainings mit der Medienkompetenz (Wissen und kritische Beurteilung) von Lernenden zusammenhängen und welche
Merkmale des Trainings (Involvierung der Lernenden, Thema) dabei eine Rolle spielt.
Geschlechterverteilung
?
Keine Angaben im Review.
Schulstufe
?
Keine Angaben im Review.
Region
Themen
Auf welchen Bereich der Medienkompetenzen wirken sich Medienkompetenz-Trainings aus?
Die Ergebnisse der Metaanalyse weisen darauf hin, dass 87% der Lernenden, die ein Medienkompetenz-Training erhielten, mehr Wissen über Medien aufweisen
als Lernende, die kein solches Trainingerhielten.
Zudem wiesen Lernende
mit Medienkompetenz-Trainings eine leicht
kritischere Haltung gegenüber Medien auf als Lernende
ohne ein
Training.
Unter welchen Bedingungen ist ein Medienkompetenz-Training erfolgreich?
In der Metaanalyse konnte beobachtet werden, dass die Effektivität von Medienkompetenz-Trainings von der thematischen Breite des Trainings abhängt. Trainings, die mehrere unterschiedliche Inhaltsbereiche abdeckten, waren etwas weniger effektiv als solche, die einen engeren inhaltlichen Fokus wählten.
Wie intuitiv erwartbar, hatten längere Trainings in den Studien eine höhere Effektivität darin die Medienkompetenz zu fördern. Die Häufigkeit der Trainings schwankte in den
Studien übrigens zwischen einer und vierzig Sitzungen.
Es scheint zudem, dass Trainings, die die passive Darstellungen von Inhalten (z.B. Frontalvortrag) oder die interaktive Aufbereitung von Inhalten einschließen (z.B. Kleingruppenarbeit),
effektiver sind als Trainings, die sich auf die eigenständige Produktion von Inhalten fokussieren. Diese Einschätzung fußt allerdings vorrangig auf dem erzielten Wissenszuwachs und
lässt weitere Komponenten von Medienkompetenz außen vor.
Qualität des Reviews
Was überzeugt?
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Strenge der Inklusion/Exklusion: Die Autorinnen und Autoren haben vermutlich strenge Qualitätskriterien für die Inklusion der einzelnen Studien angewendet. Teilweise wird aber nicht deutlich, ob alle aufgenommenen Studien auch eine Vergleichsgruppe ohne Training (Kontrollgruppe) umsetzten oder auch tatsächlich Entwicklungen (Pre-Posttest) untersuchten
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Die Autor*innen nahmen auch unpublizierte Studien auf, um einem Publikations-Bias entgegenzuwirken
Was muss beachtet werden?
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Art der Operationalisierung: Der Begriff der Medienkompetenz ist sehr eng gefasst
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Die berücksichtigten Studien sind aus dem Jahr 2008 oder älter. Angesichts des rasanten Wandels der medialen Lebenswelt stellt sich die Frage nach der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf heutige Verhältnisse
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Über die Qualität und das Design der aufgenommen Studien gibt es nur wenige Informationen
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Statistische Analysen zum Publikations-Bias werden nur sehr kurz und wenig transparent berichtet
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Es stellt sich die Frage der Generalisierbarkeit, da hauptsächlich nordamerikanische Studien einbezogen wurden (anderes Schulsystem)
Implikationen für die Praxis ❯❯
Wie setze ich Medienkompetenz-Trainings im Unterricht ein?
Die Metaanalyse weist darauf hin, dass der Mehrwert von Medienkompetenz-Trainings in erster Linie darin liegt, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen über Medien vertiefen. Bei der Umsetzung eines Trainings müssen laut den Ergebnissen insbesondere zwei Aspekte beachtet werden:
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Es ist notwendig, dass ein solches Training nicht nur einmalig, sondern am besten über einen längeren Zeitraum und wiederholt durchgeführt wird.
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Es scheint weniger effektiv zu sein, Themenbereiche der Medienbildung in ihrer großen Breite abzudecken. Lehrkräfte sollten deshalb einen inhaltlichen Fokus setzen und nicht zu viele Themen und Kompetenzen
auf einmal behandeln.
Die Metaanalyse unterstreicht die Wichtigkeit von Medienkompetenz in der heutigen digitalen Lebenswelt. Darüber hinaus zeigt sie, dass und wie Lehrpersonen im Unterricht Medienkompetenz bei ihren Schülerinnen und Schülern fördern können. Aufgrund der
rasanten technologischen Entwicklung im Bereich digitaler Medien verändern sich dabei jedoch auch stetig das Verständnis dessen, was medienkompetentes Handeln ist. Insbesondere die heute kaum zu überschätzende Relevanz
von Social Media konnte in den Studien, die in die Metaanalyse von Jeong et al. (2012) eingeflossen sind, noch nicht berücksichtigt oder überhaupt antizipiert werden. Medienkompetenz-Trainings müssen daher immer vor
dem Hintergrund aktuellster Entwicklungen konzipiert werden. Die aufbereitete Metaanalyse liefert dafür dennoch einen ersten Rahmen zur Orientierung: Wichtig ist, dass es sich um ein wiederholtes Training handelt, das
sich nicht zu viel vornimmt, sondern einen eher engen inhaltlichen Fokus setzt.
Um diese zwar sehr systematische, aber ältere Überblicksarbeit zu ergänzen, hat das TüDi-BASE Team zusätzlich eine weitere Überblicksarbeit aufbereitet. Diese ist zwar nicht so ausführlich, dafür betrachtet
sie aktuellere Trainings. Die beiden Überblicksarbeiten ergänzen sich also gut und ergeben zusammen ein kohärentes Gesamtbild der Medienkompetenz-Trainings.
"Mehr Informationen und Beispiele von konkreten digitalen Anwendungen."